It’s Art, stupid! Zur Renaissance von Nazi-Kriterien in der Kunstbeurteilung [4 S.]
RE-VIEW
„Passage: Die Dinge – Das Leben“ Ein schönes Buch über ein interessantes Foto-Ausstellungs-Projekt nebst einigen sich anschließenden Gedanken Andreas Mertin [6 S.]
Unter Beteiligung Hinweise auf Bücher, an denen Autor:innen des Magazins mitgewirkt haben Redaktion [2 S.]
Die 151. Ausgabe von tà katoptrizómena ist erschienen. Sie widmet sich der Frage der „Zeitgenossenschaft“. Darüber hinaus gibt es eine Fülle weiterer Beiträge.
Nach dem Streit um das angebliche Abendmahlsbild bei der olympischen Eröffnungsfeier 2024 in Paris lohnt es sich, sich auch einmal mit der Mythologie des tatsächlich verwendeten Bildes zu beschäftigen. Und die ist erschreckend: menschen- und queer-feindlich.
Bei der Diskussion um die religiösen bzw. mythologischen Bilder, die auf der Eröffnungsfeier der olympischen Sommerspiele 2024 in Paris Verwendung fanden, galt die Hauptaufmerksamkeit jenem „Bild“, in dem einige religiöse Menschen eine Darstellung der Eucharistie erkennen wollten. Nach all den zwischenzeitlichen Debatten kann nun eines sicher gesagt werden: es handelt sich nicht um eine Darstellung eines Abendmahles, wohl aber um das Bild eines olympischen Festes, dessen Mahltisch nach dem Abendmahl von Leonardo da Vinci in Mailand konstruiert wurde. Insofern laufen die Angriffe der Bischöfe und ihrer lautstarken Unterstützer:innen ins Leere. Wenig beachtet wurde leider in der Diskussion, welches mythologische Bild für die Szene auf der Brücke über der Seine verwendet wurde. „Fest der Götter“ hört sich harmlos und anlassbezogen korrekt an. Und von der „Hochzeit von Peleus und Thetis“, die von den Göttern gefeiert wird, weiß der normale Mensch nichts. Was könnte schon an einer Hochzeitsfeier problematisch sein? Es geht doch nur um ein Bild – nicht um eine Geschichte. So jedenfalls bekundete es einer der Planer der Eröffnungsfeier, der Historiker Boucheron im Interview mit der FAZ. Aber ganz so ist es nicht, es unterschätzt die Macht der Bilder und es unterschätzt die Macht der Erzählung (der Geschichte), die in den Bildern zur Darstellung kommt. Im Paris des Jahres 2024 wird ein Wettstreit von Sportler:innen (und Nationen) gefeiert, der angeblich offen, frei und für alle zugänglich ist. Inzwischen wissen wir, dass das nicht wahr ist, dass die Diskussionen über Identität und Nationalität die sportlichen Aktivitäten (nicht nur beim Boxen) überlagern.
Aber darum geht es mir im Folgenden nicht. Als Kunsthistoriker interessierte es mich, worauf sich die queere Community mit jenem tatsächlich verwendeten Bild bezog, das dann zum Anlass der kontroversen Diskussionen wurde. Und da war ich dann doch einigermaßen erschrocken. Ich habe selten eine derartig anti-queere und menschenfeindliche Mythologie gelesen, wie die dem Bild zugrunde liegende.
Um es kurz zu sagen: das Bild zeigt uns eine Feier der olympischen Götter, die sich bei einem bachanalen Mahl darüber freuen, dass ein queeres Wesen von einem Mann in einer Höhle überfallen, vergewaltigt und geschwängert wurde! Die Götter hatten diesen Überfall kunstvoll orchestriert, denn es war ein Puzzlestein in ihrem Plan, die Menschheit endgültig zu vernichten. Dazu musste ein Sterblicher die Nereide Thetis gegen ihren expliziten Willen schwängern, damit sie in der Folge den fast unschlagbaren Kriegshelden Achilles gebären sollte.
Die Nereide Thetis aber versteht und verhält sich queer, weshalb Peleus sie gewaltsam daran hindern muss, andere Identitäten anzunehmen und er muss sie auf ihre biologische Identität als Frau zurückführen: „Zwinge sie, was sie auch sei, bis früheres Wesen sie herstellt.“ Nur so kann sie ihren reproduktiven Pflichten nachkommen und Achilles gebären. Und dieser Achilles soll zum trojanischen Krieg beitragen, mit dem Zeus den Untergang der Menschheit realisieren wollte. Gaia, die Mutter Erde, hatte sich bei ihm beschwert, dass die Menschen ihr allmählich zur Last fielen und sich vor allem gotteslästerlich verhielten, weshalb Zeus sie doch bitte schön vernichten möge. Und weil mit der Vergewaltigung der Thetis der erste Teil des Planes funktioniert hatte, feiern nun die Götter ausgelassen und statten den Vergewaltiger Peleus im Rahmen des Festes mit den mächtigsten Waffen der Zeit aus.
Soweit zur ganz und gar nicht menschen- und queer-freundlichen Grunderzählung, die in Paris beiläufig reproduziert wurde. Aufgefallen ist das nicht, weil wir als Zeitgenoss:innen des 21. Jahrhunderts nur einen nackten Bacchus zu sehen brauchen, um unser Gehirn abzuschalten und in einen Weinrausch zu verfallen. Aber Dionysus ist eine durch und durch ambivalente Gestalt und die griechisch-römischen Götter sind es auch. Ich fand es deshalb sinnvoll, einmal die gerade paraphrasierte Geschichte(n) aus dem ersten und zweiten Buch der Kypria (500 v.Chr.) und den Metamorphosen des Ovid zu rekonstruieren, die dem Pariser Bild zugrunde liegt.
Die Planer der Pariser Eröffnungsfeier haben sich darüber hinaus bei der Konzeption auf Walter Benjamin berufen, dessen Denkbilder und geschichtsphilosophischen Thesen sie inspirierend fanden. Nur vom Christentum wollten sie nichts wissen. Meine zweite Frage ist daher, ob man Walter Benjamin so einfach beerben kann, ohne auf die explizite Messianität seiner Gedanken einzugehen. Funktioniert der türkische Schachspieler aus Benjamins erster geschichtsphilosophischer These auch ohne den theologischen Zwerg in seinem Innern? Ich glaube nicht.
Beide Aspekte habe ich in einem Aufsatz bearbeitet, der im nächsten Heft 151 von tà katoptrizómena erscheinen wird, aber jetzt schon von der Container-Seite des kommenden Heftes aufgerufen, gelesen und heruntergeladen werden kann. Sie finden ihn unter folgender Adresse: www.theomag.de/151/index.htm
Das Heft 150 des Magazins für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik ist erschienen. Es ist ein Jubiläumsheft und wirft einen Blick auf die Geschichte des Magazins.
Gemeinsame Anstrengung: Lebenskunst. Erinnerung an ein zentrales theologisches Thema samt kurzem Bericht von einer wissenschaftlichen Tagung in Wildbad-Rothenburg Wolfgang Vögele [10 S.]
Das Heft 149 des Magazins für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik ist erschienen. Es widmet sich vor allem der aktuellen Biennale, aber auch dem Film und weiteren Erscheinungen der Kunst und Kultrurpolitik.
Das Heft 148 des Magazins für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik ist erschienen. Es widmet sich zum einen der KMU VI und der ForuM-Studie, den neuesten Untersuchungen zur Kirche, aber auch vielen weiteren aktuellen Themen.
Das Heft 147 des Magazins für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik ist erschienen. Es hat zwei Schwerpunkte: das Thema Popkultur und Religion sowie den aktuellen Konflikt im Nahen Osten.
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Das Heft 145 des Magazins für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik ist erschienen. Es ist eine Festschrift für die Theologin und Cineastin Inge Kirsner und beschäftigt sich mit dem Kino und dem Film in unterschiedlichen Perspektiven. .