Ist ChatGPT ein Predigt-Generikum?

Darf Chat-GPT als Generikum verstanden werden, das die gleiche Wirkmächtigkeit wie eine menschliche Predigt entfaltet?

Rudolf Bohren („Dass Gott schön werde. Praktische Theologie als Ästhetik“) würde sich zwar im Grabe umdrehen. Dennoch: KIs Predigten schreiben zu lassen, macht innerhalb eines solchen religiösen Systems Sinn, das sich entschieden hat, der Predigt keine kreativen, keine poetische, keine neuen Bedeutungen generierenden Aspekte zuzuerkennen. Wer KI als Predigtgenerator (und nicht nur zur Arbeit an der Predigtsprache) einsetzt, gibt ein homiletisches Urteil über Form und Funktion der Predigt im Gemeindegeschehen ab, er begreift sie als Gebrauchstext.

Denn auch der Hinweis darauf, dass in der kirchlichen Praxis Predigten doch selten Kunstcharakter oder bestimmte poetologische Standards erreichen, geschieht ja in der Absicht, Predigten künftig als Gebrauchstexte zu qualifizieren. Aktuell halten wir jedoch an der regulativen Idee fest, dass Predigten mehr als bloß Werbetexte oder Gebrauchsanweisungen sind und seelsorgerliche Gespräche mehr als ein Anruf im Callcenter. Und auch Gottesdienste sind – bei aller durchaus rationalen Konstruktion der Liturgie – mehr als Verkaufsveranstaltungen. Wenn man an diesem Mehrwert zweifelt, wenn man Gottesdienste für überschätzt und Predigten als schlichte Textgattung der Wiederholung religiöser Texte in anderen Worten ansieht, dann sind freilich KI-gesteuerte autonome Systeme denkbar, die das personen-zentrierte religiöse System ablösen können (und sollten).

Die Debatten um den angeblichen von einer Künstlichen Intelligenz generierten Gottesdienst auf dem Ev. Kirchentag in Nürnberg (der in Wirklichkeit nur mit Hilfe von ChatGPT zustande kam und von einem theologischen Subjekt namens Jonas Simmerlein authentifiziert wurde und damit eben kein autonomes, künstlich-intelligentes und künstlerisches Geschehen darstellt), kreisen also um die Frage, ob wir in den christlichen Gemeinden zu einer sozialen Vereinbarung kommen können, wollen bzw. werden, welche die von der KI generierten Predigten als genuin religiöse Texte anerkennt, nicht zuletzt, weil sie die Wandlung der Predigt vom poetischen Text zum Gebrauchstext vorantreibt. Ein (noch kleiner) Teil der theologischen und kirchlichen Welt scheint dazu zu neigen.

Aber die Frage ist nicht einmal ansatzweise entschieden. Wie bei der Kunst bestimmen darüber ja nicht ein paar technologie-animistisch Denkende, sondern die soziale Gruppe, in diesem Fall die religiöse Gemeinschaft. So wie ich die Mehrzahl der heutigen Gemeinden einschätze, haben sie nichts dagegen, dass ihre Prediger:innen mit ChatGPT zur Vorbereitung der Predigt experimentieren. Das machen auch Künstler.innen und Schriftsteller:innen mit ihren Artefakten. Es dürfte aber kaum Common Sense sein (und wohl auch nicht werden), dass die Predigenden durch Algorithmen ersetzt werden oder auch nur ersetzt werden könnten.

Der soziale Prozess, der Predigen von einem poetischen Vorgang zu einem Gebrauchstexte produzierenden Vorgang umwerten könnte, ist jedoch kein voluntaristischer Akt, bei dem ein paar akademische Theolog:innen nun entscheiden könnten, künftig auf menschliche Predigende zu verzichten. Es gibt auch keine dafür legitimierte Kirchenleitung, die einfach entscheiden könnte, dass Predigten eigentlich nur Werbetexte für die Kirche seien und daher Predigende als Werbetreibende auch ebenso gut durch Algorithmen ersetzt werden könnten. Manche meinen, wenn man zeigen könne, dass Maschinen genauso gut predigen können wie Menschen (im Sinne des Wirkungsäquivalents), dann würde das Pendel zugunsten der Maschinen ausschlagen. Aber sie missverstehen, was eine soziale Vereinbarung ist.

Mit Karl Barth (KD IV/3, S. 995f.) lässt sich die essentielle Aufgabe und Funktion der Predigt zunächst dahingehend zusammenfassen,

„dass die Gemeinde sich (und so auch die mithörende Welt) in ihr ausdrücklich an das ihr aufgetragene Zeugnis erinnert, erinnern lässt, sich seines Inhalts aufs neue vergewissert, in seinem Reflex Jesus Christus selbst aufs neue zu sich reden, sich aufs neue zu seinem Dienst in die Welt aufrufen lässt.“ Dabei ist die Predigt zugleich auch „selbständig vollzogene Aussage und Erklärung des Evangeliums, selbständig gewagter evangelischer Anruf.“

Diesen Kriterien genügt eine KI-generierte Predigt sozusagen a priori nicht. Wer anderes behauptet, denkt in Modellen von Generika, wonach die Predigt ein Wirkstoff ist, der nach­gebaut werden kann. Im kulturellen Sektor entspricht genau das aber magischem Denken.

Ein Generikum oder Nachahmerpräparat ist ein Arzneimittel, das wirkstoffmäßig mit einem bereits früher zugelassenen Arzneimittel übereinstimmt. Von dem Originalpräparat kann sich das Generikum bezüglich enthaltener Hilfsstoffe und Herstellungstechnologie unterscheiden. Es unterliegt einer vereinfachten Zulassung, bei der auf Unterlagen des Originalpräparats zurückgegriffen wird … Ein Generikum soll dem Originalprodukt in dessen beanspruchten Indikationen therapeutisch äquivalent sein, d. h., es muss ihm in Wirksamkeit und Sicherheit entsprechen.

Wenn also technologisch generierte Texte sich quasi als wirkungsäquivalent zu den bisherigen Predigten erweisen, schließt man daraus, dass sie die (aufwendigeren) Ursprungstexte (also die menschlichen Predigten) ersetzen können. Exakt das ist das Modell der Generika. Und man muss überlegen, ob man sich diesem Modell anschließen will, auch wenn man es nun auf kulturelle Phänomene anwendet (Kulturwissenschaft wie Naturwissenschaft versteht). Es ist das alte mittelalterliche Modell, bei dem man Kranke erst vor den Isenheimer Altar schleppte, und erst wenn Heilung sich nicht einstellte, zum Arzt wechselte. Das war dingmagisches Denken – und das Ergebnis im Verlauf der Geschichte kennen wir. Heute gehen wir lieber gleich zum Arzt. Predigten sind eher im Sinn von poetischen Texten und der Interpretation poetischer Texte zu verstehen. Und daran sollten wir festhalten.

Und ChatGPT sprach …

Sollte man die Digitalisierung der Kirche vorantreiben oder doch lieber ein wenig Vorsicht walten lassen?

Ziemlich süffisant berichtet Linda Gerner in der taz über einen Gottesdienst durch eine Künstliche Intelligenz auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Die KI agiert ihr zu schnell und hektisch:

„Das Bekenntnis des Vater-Unsers, einer der Mitmach-Momente jedes Gottesdienstes, kam etwas unvermittelt. Und zack, ehe die letzten aufgestanden sind, ist es auch schon vorbei. Sofort geht es weiter mit dem nächsten Punkt des Gottesdienstes: Predigt, Gebet, Segen – alles programmiert.“

Wo die menschlichen Liturg:innen die Gemeinde mit ihren Reaktionen beobachten, spult die KI das vorgegebene Programm ab. Und wie soll sie auch wissen, wie schnell oder langsam in evangelischen oder katholischen Gemeinden Gebete gesprochen werden. Und in der Frage der Geschwindigkeit unterscheiden sich die Konfessionen durchaus. Man müsste die KI also noch in protestantischer Liturgie-Geschwindigkeit adressatenorientiert schulen.

„Inhaltlich rasselt die KI dann die Bibelstellen nur so runter. Bei der Geschwindigkeit fällt es schwer, über die einzelnen Sätze ernsthaft nachdenken zu können … Für eine echte Gottesdienst-Atmosphäre fehlt das gemeinsame Singen, es fehlt sogar das Orgelspiel. Denn die von der KI ausgewählte Musik, die mehrfach abgespielt wird, wirkt, so fasst es eine Frau später zusammen ‚einfach nur wie Fahrstuhlmusik‘“.

Die KI schlägt als Musik das vor, was sie als Common Sense empfindet. Olivier Messiaen war nicht zu erwarten – Karlheinz Stockhausen auch nicht. Aber der Gottesdienst wird von den Enthusiasten tapfer verteidigt. Normale Gottesdienste seien ja auch unvollkommen meint eine junge Theologin. Aber das ist der falsche Maßstab. Zum Vergleich müsste man die Gottesdienste auf dem Kirchentag heranziehen und da dürfte es schwerfallen, schlechte(re) zu finden. Überhaupt nicht deutlich wird aus dem Bericht der taz, worin die KI nun besser ist. Argumentiert wird mit Einsparpotentialen, aber dieses neoliberale Argument leuchtet mir nicht ein. Ist die Predigt also theologisch besser? Offenbar nicht. Die KI redet über sich selbst – was nur schlechte Pfarrer:innen tun. Ist vielleicht der synästhetische Gesamteindruck überzeugender? Offenbar auch nicht, es ist eine klassische Berieselung. So what?

„Und Gott sprach: »Zu wenig ist es, dass du in meinem Dienst stehst«.“

Am gleichen Tag lese ich in der Japan Times einen Text von George Soros über die Gefährdung der Demokratien der Welt durch die sog. Polykrise“. Als zentrale Herausforderungen sieht Soros primär die Entwicklung der KI, dann erst den Klimawandel und schließlich den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das ist ganz interessant, denn Soros steht nicht in dem Verdacht, durch seine Vorsicht in Sachen KI irgendwelche Unternehmensinteressen zu bedienen. Soros stimmt den Kritikern der KI zu, wenn sie befürchten, diese könne letztlich unsere Zivilisation zerstören. Das Problem sieht Soros darin, dass allen zwar einsichtig ist, dass die KI reguliert werden muss, die großen Blöcke dieser Welt (also die offenen im Kontrast zu den geschlossenen Gesellschaften) sich nicht darüber einigen können, in welche Richtung die Regeln gehen sollen. Und in diesem Fall kommt es zum unregulierten Einsatz der KI.

„Aber wir können uns einer Sache sicher sein: KI hilft geschlossenen Gesellschaften und stellt eine tödliche Bedrohung für offene Gesellschaften dar. Das liegt daran, dass KI besonders gut darin ist, Kontrollinstrumente zu entwickeln, die geschlossenen Gesellschaften helfen, ihre Untertanen zu überwachen.“

Soros‘ Überlegungen stehen in einem deutlichen Kontrast zu dem Enthusiasmus, mit dem in der Evangelischen Kirche das Projekt der Digitalisierung des Glaubens vorangetrieben wird. Hier liegt der Hauptfokus darauf, was man denn alles digitalisieren könne: das agierende Personal (durch Avatare), die Predigt (durch ChatGPT), die Liturgie (durch programmierte Abläufe). Aus irgendwelchen merkwürdigen Gründen legt man noch Wert darauf, dass die zu beglückenden religiösen Subjekte leibhaft präsent sind (vor dem Monitor oder in der Kirche) und nicht durch Maschinen substituiert werden. Von den der Technik inhärenten Kontrollmechanismen redet man nicht. Worin liegt die eigentümliche Faszination für manche, den predigenden Menschen durch Maschinen zu substituieren? Offenkundig liegt ein Grund darin, dass man mit der Botschaft selbst gar nichts mehr anfangen kann und sie deshalb formalisierten Prozessen überlässt. Vom eigentümlichen Reiz biblischer Texte, ihrer Situierung in der biblischen Lebenswelt und der heutigen bleibt wenig übrig. Die Maschine, darauf ist sie programmiert, interpretiert Texte im Sinne des wahrscheinlichsten Folgewortes. Paradoxe Interventionen, von denen die Bibel so reich gesegnet ist, sind ihr fremd. Ob ein Text ein biblischer Text ist oder eine Gebrauchsanweisung für Toaster ist ihr egal. Es ist Zeit, wieder mehr Günther Anders zu lesen.

Fehlgeschlagen

Ulrich H. Körtner zur Frage: Warum solidarisiert sich die EKD mit der Letzten Generation?

Auf z(w)eitzeichen finde ich gerade einen lesenwerten Artikel von Ulrich H.J. Körtner zu fatalen Solidarisierung von Vertretern der EKD mit den Aktivisten der „Letzten Generation“.

Körtner, Ulrich H.J. (2022): Die letzte Generation? 2022 solidarisierte sich die EKD-Synode mit Klimaaktivisten. Warum?
Online verfügbar unter https://zeitzeichen.net/node/10214

Körtner schreibt:

Jesus als geistiger Ahnherr der „Letzten Generation“, der seiner moralischen Pflicht Folge leistete. Das ist Gesetzlichkeit pur. Die neutestamentlichen Schriften stellen Jesus als den dar, der wie kein anderer Mensch in ungebrochener Beziehung und Willenseinheit mit Gott lebt und handelt und der am Ende seines Weges betet: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Den Willen des Vaters tun ist aber nicht mit einer moralischen Pflicht im philosophischen Sinne zu verwechseln. Jesus verkündigt die anbrechende Gottesherrschaft, nicht Moral.

Longtermism und Shorttermism

Die Welt zwischen Problemverschiebung und Problemverdrängung

Wie steht es um die Zukunft des Menschen?

Ich lese gerade, aufmerksam geworden durch einen Artikel über die Extremisten der Aufklärung in der ZEIT, einen Artikel des Philosophen Émile P. Torres, den dieser vor einem Jahr im Aeon Magazine publiziert hat [Torres, Émile P. (2021): „Against longtermism“ In: Aeon Magazine, 19.10.2021. https://aeon.co/essays/why-longtermism-is-the-worlds-most-dangerous-secular-credo]. Ich empfehle den Artikel zur Lektüre, denn er plausibilisiert viel von dem, was aktuell rund um Twitter, FTX und Letzter Generation vor sich geht. Die Gedankenwelt, die Torres da zusammengetragen hat und kritisch begutachtet, ist schon erschreckend. Grob gesprochen könnte man zwischen shorttermism und longtermism und dem, was dazwischen denkbar ist, unterscheiden. „shorttermism“ wäre dabei ein Denken, dass sich wenig um die Zukunft und das absehbare Leiden der Menschen kümmert, sondern dem Hier und Jetzt die Priorität einräumt. Demnach wäre eine Einschränkung heutiger Lebenswelten zugunsten künftiger Generationen nicht angebracht. „longtermism“ dagegen orientiert sich an extrem ausgreifenden Zukunftsperspektiven, die um die Perfektibilität des Menschen kreisen. Im Blick auf eine derartige ferne Zukunft eines im Weltraum reisenden perfekten Menschen wäre die Besinnung auf heutiges Leid oder das Leid der nächsten Generationen bedingt etwa durch den Klimawandel durchaus zu vernachlässigen. Denn letztlich kommt es nur darauf an, dass irgendwann ein optimierter Mensch alle Beschränkungen überwindet. Dafür kann man auch den Tod von 75% der Weltbevölkerung in Kauf nehmen. Langfristigkeit meint dann eben nicht die nächsten 2000 Jahre, sondern Millionen oder Milliarden Jahre.

„If one takes a cosmic view of the situation, even a climate catastrophe that cuts the human population by 75 per cent for the next two millennia will, in the grand scheme of things, be nothing more than a small blip – the equivalent of a 90-year-old man having stubbed his toe when he was two.“ – „It might be ‘a giant massacre for man’, he adds, but so long as humanity bounces back to fulfil its potential, it will ultimately register as little more than ‘a small misstep for mankind’.”

Es ist letztlich die Logik von Kriegsherren, die da durchschimmert, denen es egal ist, wie viele Menschen sie opfern, Hauptsache am Ende steht der Sieg. Und zu diesen Kriegsherren gehören Elon Musk oder auch ein Glücksritter wie Sam Bankman-Fried. Sie fördern die Philosophie des Longtermism mit Millionen US-Dollar. Einig sind sich Short-Termisten und Long-Termisten darin, dass sie sich um die Klimakrise nicht zu sorgen brauchen, zumindest so lange nicht, wie ihre eigenen Konzepte davon nicht betroffen sind.

Hugenottisches Stillleben

Der Pariser Louvre zeigt eine faszinierende Ausstellung zum Thema „Stillleben“. Unter den Exponaten findet sich auch ein Kunstwerk der hugenottischen Malerin Luise Moillon.

Stilleben von Louise Moillon, 1633

Hanno Rauterberg bespricht gerade emphatisch in der ZEIT eine Ausstellung im Pariser Louvre. Er stellt seine Besprechung unter den Titel „O heiliges Gemüse! Selbst der Spargel wird zum Zeichen der Transzendenz“. Die Pariser Ausstellung trägt den Titel Les Choses – Une histoire de la nature morte und ist bis zum 23. Januar zu sehen. Der Louvre schreibt zur Ausstellung:

Die von Laurence Bertrand Dorléac kuratierte Ausstellung Things schlägt eine neue Sichtweise auf ein Genre vor, das lange Zeit als untergeordnetes Genre angesehen wurde, dessen Name – „Stillleben“ – an sich schon faszinierend ist. Darstellungen von Dingen, die bis in prähistorische Zeiten zurückreichen, sind ein wunderbares Fenster in die Geschichte. Künstler waren die ersten, die die Dinge ernst nahmen, indem sie ihre Präsenz erkannten, sie mit Leben erfüllten, ihre Formen und Bedeutungen, ihre Kraft und ihren Charme verherrlichten. Sie haben die Fähigkeit von Objekten eingefangen, unsere Vorstellungskraft zu beflügeln – uns glauben, zweifeln, träumen oder handeln zu lassen. Die Ausstellung greift das Stillleben-Genre aus der Perspektive des andauernden Dialogs zwischen vergangenen und gegenwärtigen Künstlern auf. Es wirft ein neues Licht auf unsere Verbundenheit mit materiellen Dingen und deckt die Kunstgeschichte von prähistorischen Äxten bis zu Chardin, Manet und den Readymades von Marcel Duchamp ab.

Unter den gezeigten Artefakten ist nun auch eine Arbeit von Luise Moillon (1610-1696), die zu den berühmtesten französischen Stillleben-Malerinnen des 17. Jahrhunderts zählt und aus einer Familie hugenottischer Maler stammt.

Jesus in der israelischen Kunst

Hinweis auf die Seiten einer Ausstellung von 2016/17 im Israel-Museum mit israelischen Bildern zu Jesus.

Ephraim Moses Lilien, Passover
Ephraim Moses Lilien, Passover

Dietrich Neuhaus, unser früherer Mitherausgeber, machte mich darauf aufmerksam, dass es 2016/17 im Israel-Museum eine Ausstellung gegeben hat, die sich mit „Jesus“ in der jüdischen Kunst beschäftigt. Diese Ausstellung ist in großen Teilen weiterhin online zugänglich und ist auch sehr gut kommentiert. Zu finden ist sie unter dieser Adresse. Die Ausstellung trägt den Titel „Behold the Man. Jesus in Israeli Art“. Ausgestellt wird natürlich einiges von Marc Chagall, das ist unvermeidlich, aber auch Werke von Maurycy Gottlieb, E. M. Lilien, Reuven Rubin, Igael Tumarkin, Moshe Gershuni, Motti Mizrachi, Menashe Kadishman, Michal Na’aman, Adi Nes und Sigalit Landau. Letztere kennen die Leser:innen des Magazins für Theologie und Ästhetik, weil ein Werk von ihr Teil der documenta-Begleitausstellung von 2012 war und seinerzeit von Karin Wendt im Magazin vorgestellt wurde (Embodying Art. Sigalit Landau).

Natürlich ist man bei derartigen Ausstellungen weitgehend auf figurative Kunst verwiesen. Das ist ihr elementarer Nachteil. Nur wenige Arbeiten können sich davon lösen. Jenen großen Zyklus, den man sich in der Ausstellung gewünscht hätte, findet man dort leider nicht: Barnett Newmans „The Stations of the Cross – Lema Sabachthani“. Aber Barnett Newmanns Werk ist auch keine israelische Kunst.

Quelle: Datei:National Gallery of Art – Barnett Newman – The Stations of the Cross – Lema Sabachthani
(5946553792).jpg –
https://de.wikipedia.org

Dafür finden sich viele andere interessante und nachdenkenswerte Arbeiten in der Ausstellung. Eine davon will ich kurz vorstellen, weil ich den Künstler bisher nicht kannte und er als dezidiert zionistischer Künstler einen spezifischen Gebrauch vom Jesus-Thema macht: Ephraim Moses Lilien (1874–1925). Das Israel-Museum schreibt zur Vorstellung des Künstlers und des ausgestellten Werkes mit dem Titel „Passover“:

Es war Ephraim Moses Lilien (1874–1925), der in die traditionelle jüdische Gesellschaft hineingeboren wurde und als Künstler in den kulturellen Zentren Mitteleuropas auftauchte, der die visuelle Darstellung des Zionismus in seinen frühen Jahren prägte. Als einzigartige Verschmelzung von Erotik und Fantasie des Jugendstils (Art Nouveau) mit frühem zionistischem Pathos und Idealismus gelang es Liliens Kunst, jüdische und christliche Symbole, Orientalismus und Einflüsse aus dem alten Ägypten und Assyrien zu kombinieren. Dieser eklektische Ost-West-Stil, der als Judenstil bezeichnet wird, wurde zu seinem persönlichen Markenzeichen. Liliens nationaljüdische Kunst schwingt auf subtile Weise mit der christlichen Idee mit, dass die Rückkehr der Juden nach Zion eine Vorbedingung für das Zweite Kommen war, was viele Christen dazu veranlasste, den Zionismus mit der Erlösung in Einklang zu bringen. Ohne Jesus darzustellen, umfassen seine Illustrationen Dornenkronen, Kreuzigungen und mit Maria verbundene Ikonographien. Diese Motive sind von zionistischer Bedeutung durchdrungen, ob sie nun als Zeichen für jüdisches Leiden in der Diaspora dienen oder eine stolze Entschlossenheit verkünden, eine nationale Wiederauferstehung im Land Israel zu erreichen.

Und das macht das Bild tatsächlich zu einem überaus herausfordernden Bild, das einen nicht kalt lässt, sondern zur je eigenen Stellungnahme nötigt. Das finde ich gut.

Eine reale Chance

Ein lesenswerter Essay von Richard Herzinger

Richard Herzinger sieht in einem Essay die Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit für eine weltweite Demokratiebewegung, die den Feinden der offenen Gesellschaft entgegentritt. Der lesenswerte Essay findet sich hier.

Lesetipp