Ich habe hier einmal zwei unterschiedliche Tafeln des Wurzacher Altars, die aber Szenen zeigen, die am selben Ort spielen, mittels Photoshop zu einem Bild zusammenmontiert. Darin erkennt man viele der Details wieder, die ich in den vergangenen Tagen erörtert habe. Was mich nun interessiert, sind die unterschiedlichen Raumschließungen und Raumöffnungen auf dem Bild. Auf der linken Seite sehen wir eher das einfache Volk, von den Hirten bis zu den Bürgern, auf der rechten Seite die gehobenen Schichten, allen voran die Könige mit ihrem Gefolge. Meine Frage ist: Ist es ein Zufall, dass die einen durch einen Holzzaun auf Distanz gehalten werden, während die anderen durch das den Torbogen direkt zu Christus Zutritt haben: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …? Es ist ja auffällig, dass das Christentum die Könige zu Heiligen verklärt hat, während die primären Zeugen namenlos und ohne religiöse Auszeichnung blieben.
Ich weiß, dass es andere Weihnachtsbilder gibt, auf denen die Hirten auch zu Jesus vordringen, aber auf diesem konkreten Altarwerk ist es wohl bewusst anders dargestellt, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Räume des Religiösen sind nie egalitär. Normalerweise bezieht sich das aber weniger auf die Menschen, sondern auf den Raum als solchen. Religiöse Räume sind Heterotope, Anders-Orte, in denen der Rest der Welt unter religiösen Paradigmen reflektiert wird. Das Christentum ist aber seit frühen Zeiten auch eine Ständegesellschaft gewesen, bei der einige dem Heiligen näher sind und vor allem näherkommen dürfen als andere. Das wird auf dieser Bildmontage überaus augenfällig. Die Frage ist, ob sich das in der Moderne geändert hat, oder ob wir nicht immer noch diese Unterscheidung von den Nahen und Fernen machen.