Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren …

Reaktionärer Bullshit über Amerika und die Briefwahl

Und weiter in der Betrachtung der erzkonservativen Publizistik. Dieses Mal spricht der amerikanische Korrespondent des Online-Auftritts, der als frisch in die USA Immigrierter ehemals deutscher Europa-Politiker der CDU kompetent über die US-Wahlen Auskunft gibt. Und das macht er mit den folgenden Worten.

Das ist beeindruckend, mit welcher Präzision hier Auskunft gegeben wird, man fühlt sich gleich bestens informiert. Und wir erfahren, am 5. November wird „kaum noch jemand zur Wahl gehen“ – mit Ausnahme natürlich jener 57% der Wähler:innen, die in den USA auch 2020 an der Urnenwahl teilgenommen haben, wie uns das amerikanische Wahlbüro informiert. Aber das ist natürlich „kaum jemand“.

Ein Großteil der Amerikaner wählt per Briefwahl? Was immer man unter Großteil versteht (der Korrespondent wohl 66%). 2016 waren es aber nur 21%, 2020 waren es 43%  der Wähler:innen (statista: „Laut Erhebungen des US Census Bureau lag der Anteil der Briefwählerinnen und -Wähler bei der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 bei etwa 43 Prozent, dem höchsten Wert im Verlauf der vergangenen Jahre.“) Vielleicht versteht der Korrespondent den Unterschied zwischen Briefwahl und der in den USA möglichen vorzeitigen Stimmabgabe im Wahlbüro nicht.

In den USA wählen deutlich mehr per Briefwahl als in Deutschland? 2021 wählten in Deutschland laut Bundeswahlleitung coronabedingt 47,3% der Wähler:innen per Briefwahl, das sind 4,3%-Punkte mehr als in den USA 2020. Der Blick auf die statistischen Daten beider Länder seit der Jahrtausendwende zeigt, dass der Briefwahlanteil in Deutschland immer(!) höher lag als in den USA, aber in beiden Ländern bisher nicht die 50%-Quote überstieg. Aber selbst das wäre dann nicht der Großteil, sondern nur der größere Teil der Wähler:innen.

Wie kann man in so wenigen Zeilen nur so viel Bullshit von sich geben? Und warum muss man nicht fürchten, dass jemand die Behauptungen nachprüft? Weil genau das das Erfolgsmodell von Donald Trump ist: Mehrheiten dort zu sehen, wo sie gar nicht sind? Dabei ist bei der Schilderung durch den Korrespondenten jedem doch sofort klar, dass das nicht stimmen kann. Warum sollte es Schlangen vor Wahllokalen der USA geben, wenn doch niemand mehr zur Urnenwahl geht?

Und ich lerne wieder einmal, dass Konservative es – anders als es die Richtung vermuten lässt – mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Hauptsache es dient ihrer Ideologie.