Ein bisschen Spaß muss sein – oder: Die fetten Kühe von Baschan

Warum muss man mit Taylor Swift Gottesdienste veranstalten? Eine moralinsaure Kritik aus ökologischen und theologischen Gründen.

Vor mehr als 50 Jahren sang Roberto Blanco ein Lied, in dem er meinte, mit ein bisschen Spaß sei die ganze Welt voll Sonnenschein und dann komme das Glück von ganz allein. Man frage nicht nach Zeit und Geld, schlicht deshalb, weil es einem so gefällt. Ich weiß nicht, ob es damals schon Schlager- oder Popmusik-Gottesdienste gab, aber mentalitätsmäßig hätte es natürlich gepasst. Das sagen wir uns in den Gottesdiensten ja auch immer: ein bisschen Spaß muss sein.

An Roberto Blancos Lied musste ich denken, als ich die Nachrichten vom Taylor-Swift-Gottesdienst las. Ich weiß nicht, ob man die Künstlerin zu den von Amos am Anfang des vierten Kapitels seines Buches erwähnten stolzen Frauen zählen kann, aber sie ist denen näher, als man glauben mag. Unter allen Pop-Künstler:innen ist Taylor Swift die mit der schlechtesten Öko-Bilanz, nur noch übertroffen von jenen Protagonisten dieser Welt, die sich im Neuen Amerika zusammengetan haben, um die Welt zu beherrschen (Donald Trump, Bill Gates, Elon Musk). Und diese ökologische Bilanz geht zu Lasten der Ärmsten dieser Welt, sie müssen den Preis dafür bezahlen durch die Vernichtung ihrer Lebenswelten.

Ich hatte vor einigen Jahren kritisiert, dass in einem Chrismon Spezial Werbung für Kreuzfahrtreisen nach Alaska gemacht wurde und hatte einmal zusammengerechnet, dass die Reisenden dabei auf einer dreiwöchigen Reise allein für die Verkehrsmittel pro Person 7,7 Tonnen CO² verbrauchen. Das wären für Taylor Swift freilich nur Peanuts, damit gibt sie sich nicht ab. Allein im Januar 2024 verbrauchte sie für Kurzstreckenflüge mit ihren Privatjets 67 Tonnen CO². Ein bisschen Spaß muss sein, da ist die Welt voll Sonnenschein und das Glück kommt von ganz allein. „Schön ist es auf der Welt zu sein, sagt die Biene zu dem Stachelschwein, du und ich wir stimmen ein, schön ist es auf der Welt zu sein“ (Roy Black und Anita Hegerland).

Das jedenfalls müssen sich auch jene gedacht haben, die einen Gottesdienst unter der musikalischen Ägide der kulturindustriellen Produkte von Taylor Swift ankündigten. Das ist ja der Kern der christlichen Botschaft: „Dann segnete Gott [die Menschen], indem Gott zu ihnen sprach: »Seid fruchtbar, vermehrt euch, füllt die Erde und bemächtigt euch ihrer. Zwingt nieder die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels und alle Tiere, die auf der Erde kriechen.«

Ich will nicht allzu moralinsauer reagieren [eigentlich aber schon], aber man hat doch den Verdacht, dass bei dieser Art der Gottesdienste eben nicht auf die Kompatibilität der Botschaft, sondern auf die Attraktivität der Sängerin für die angezielte Kundschaft geschielt wird. Es gibt genügend popkulturelle Lieder in den letzten 40 Jahren, die in einem herausragenden Sinn kom-patibel zum Christentum sind und nicht nur von Herzschmerz handeln. Leonard Cohen etwa mit dem großartigen „Halleluja“, Madonna mit „Like a prayer“, REM mit „Losing my religion“, Metallica mit „Until it sleeps“, Billie Eilish mit „All the good girls go to hell“. Und es wären hunderte wei-tere zu nennen. Taylor Swift gehört definitiv nicht dazu – sie ist schlicht nur populär. Natürlich wäre es angemessen gewesen, nicht nur die Musik von Taylor Swift zu performen, sondern auch Eintrittsgeld in Höhe ihrer Konzertkarten zu nehmen, das begänne mit etwa 112 Euro und ist bei einem halben Tausender für VIP-Karten noch nicht am Ende. Das wäre doch eine Idee. Und dann könnten sich die kirchlichen Veranstalter:innen angemessene Dienstfahrzeuge gönnen, so wie Taylor Swift ihre beiden Privatflugzeuge.

Taylor Swift ist unbestritten eine der großen Pop-Künstlerinnen dieser Tage. Sie ist eine Kultfigur (auch darum geht es in Amos 4) und sie fesselt die Menschen. Sie ist ein Aushängeschild der Kulturindustrie und wird von den Medien mit geradezu magischen Kräften versehen: nur ein Wort von ihr und Kamala Harris wird die kommende US-Präsidentin. Ja, eine falsche Prophetie. Taylor Swift ist jedoch ganz sicher keine Prophetin des Christentums, sie ist das Gegenteil. Mit den Worten Adornos: Religion wird hier zum Warenartikel. „Sie wird billig vermarktet, um einmal mehr einen sog. irrationalen Stimulus unter vielen anderen zu liefern, mit dem die Mitglieder einer berechnenden Gesellschaft berechnend dazu gebracht werden, die Berechnung unter der sie leiden zu vergessen. Das ist Religion a la Hollywood, noch bevor die Industrie sich hier engagiert hat.“

Die Tendenz zu kulturindustriell präfigurierten Gottesdiensten, zur Religion als Ware im Unterhaltungssegment beobachten wir schon länger. Sie ist durchgehend instrumentell motiviert. Aber was will man noch verkündigen, wenn die Mittel, die man zur Werbung einsetzt, der zu verkündigenden Botschaft diametral widersprechen? Taylor Swift produziert kulturelle Massenware, die Heilige Schrift ist – obwohl massenhaft verbreitet – ein Teil der Hochkultur. Sie ist nicht auf raschen Konsum angelegt, nicht auf Twitter-Verkürzungen, nicht auf die Befriedung der Menschen. Sie gehört nicht zum Brot-und-Spiele-Management der Herrschenden. Das vergessen jene, denen es auf möglichst viele Besucher:innen, auf religiöses Clickbaiting ankommt. Aber mit Roberto Blanco: Aber ein bisschen Spaß muss sein – und da muss die Botschaft vom Kommen Gottes auf die Erde (und auch die sozialkritische Botschaft von Amos) hinten anstehen.