Und schon wieder ist es passiert. Nach dem Erscheinen der ForuM-Studie waren sich doch alle irgendwie einig, dass ein Teil des Problems des Missbrauchs und des Umgangs mit Missbrauch in der Evangelischen Kirche in der unangemessen hervorgehobenen Rolle der Pfarrer:innen in der Kirche und in den Gemeinden bestand. Trotz aller Egalisierungsbemühungen des Protestantismus im 16. Jahrhundert sei man, was die Rolle der Pfarrer:innen angeht, ganz unsensibel wieder in Hierarchisierungen verfallen. Das habe zu einer Situation geführt, die nicht nur paternalistisch geprägt gewesen sei, sondern auch zum Missbrauch der eigenen hervorgehobenen Stellung für Verbrechen und Vergehen eingeladen habe.
Soweit der damalige Konsens, unmittelbar nach Erscheinen der ForuM-Studie. Und da haben auch viele Engagierte ihre Stimme erhoben, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Evangelische Kirche daran arbeiten müsse, den Mythos der besonderen Rolle ihrer Theolog:innen und Pfarrer:innen zu dekonstruieren und alle religiösen Subjekte wieder zu ihrem Recht kommen zu lassen.
Überraschenderweise finde ich einige der Namen derer, die damals für die Dekonstruktion der hervorgehobenen Rolle der Pfarrer:innen und Theolog:innen in der Kirche plädiert haben, auf einer Unterschriftenliste wieder, die gerade vehement die CDU für ihre angekündigten Asylbeschlüsse auf ihrem Parteitag kritisiert und dazu dekretiert: Die CDU ist unchristlich.
Und was steht nun unter dieser Liste, schön fett gedruckt, damit es auch jeder lesen kann und beachtet? Diese Liste ist
Und man muss das ausgelassene „nur“ mitlesen, sonst hätte man ja schreiben können: Bitte unterzeichnen Sie diesen Appell. Das ist aber nicht gemeint, sondern man meint: möglichst keine Nicht-Theolog:innen auf unseren Listen. Wo kämen wir denn auch hin, wenn hier jedes Gemeindeglied unterschreiben würde. Das finde ich cool, dass das so unverhohlen eingeräumt wird. Nur den Theolog:innen kommt die Aura und die Kompetenz zu, die CDU als unchristlich zu verwerfen.
Direkt darunter ist ein Link auf die Liste derer, die bis zum Abend des 5.5.2024 bereits unterschrieben haben. Und auch hier bittet man darum, dass „Ort, Kirchengemeinde und Position“ angegeben werden. Plötzlich spielt die Position wieder eine ausschlaggebende Rolle.
Nun kann man fragen, ob die zahlreichen Pfarrer:innen, die unter Angabe ihrer Kirchengemeinde diese Liste unterschrieben haben, dies auch im Auftrag ihrer Gemeinde tun. Haben sie im Presbyterium ihrer Gemeinde abgestimmt, ob sie für die Gemeinde unterschreiben? Ich vermute nicht. Es dürften genügend Vertreter:innen in den Gemeindegremien sitzen, die es gar nicht so lustig finden, wenn die CDU frei weg als „unchristlich“ bezeichnet wird.
Wenn also ein Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Berlin Süd-Ost diese Liste unterschreibt, als was tut er dies? Wenn ein promovierter Pastor einer Hamburger Kirchengemeinde dies unter Angabe seiner Gemeinde signiert, wer hat ihn beauftragt? Ich glaube nicht, dass dies das korrekte Amtsverständnis ist. Es ist eben keine Privatmeinung, die hier artikuliert wird, sondern eine Meinung kraft des Amtes. Das wiederum finde ich missbräuchlich.