Santa Claus im Nimmerland

Blickt man auf die israelkritischen Karikaturen arabischer Karikaturisten stößt man aktuell häufig auf Santa Claus. Aber wen besucht der Weihnachtsmann eigentlich?

Dafür, dass die am Nahost-Konflikt beteiligten Parteien mit den Erzählungen des Christentums aus nachvollziehbaren Gründen sehr wenig bis gar nichts zu tun haben, und die Islamisten zudem westliche Werte im Allgemeinen eher als dekadent ablehnen, überrascht es doch, wie häufig christliche Brauchtümer und Folklore zumindest auf den israelkritischen Karikaturen vorkommen.

93% aller Palästinenser:innen sind muslimischen Glaubens, nur 6% sind christlichen Glaubens, freilich nicht im Gazastreifen. Dort ist der Anteil der Christ:innen von 15% im Jahr 1950 auf 0,05% im Jahr 2022 gesunken. Die Christ:innen dort sind zumal vor allem orthodox, bei denen Weihnachten erst am 6. Januar gefeiert wird. Wenn also auf den Karikaturen  der Israelkritiker:innen Santa Claus am 11. oder 18.12. 2023 den Gazastreifen besucht, fragt man sich doch, wen er da besuchen will: alle Menschen guten Willens? Das kann er machen, aber warum? Konsequenterweise wird Santa Claus auf einer anderen Karikatur von einem israelischen Soldaten auf die Knie gezwungen und durchsucht. Mir käme ein Santa Claus Anfang Dezember im Gazastreifen auch merkwürdig vor. Zumal die arabischen Karikaturisten sich immer auf die kommerzielle amerikanische Santa Claus Figur beziehen – der mit den glitzernden Geschenken.

Wenn in Bethlehem die Weihnachtsfeiern aus durchschaubaren Gründen (vor allem aus Solidarität mit Gaza) eingeschränkt oder abgesagt werden, dann spielt das auch auf den Karikaturen eine Rolle. Wir blicken z.B. auf eine Krippengeschichte mit den Hirten (und Ochs und Esel!), den Hl. drei Königen, die freilich von israelischen Panzern umzingelt werden, während am Himmel die Flugzeuge der IDF ihre Raketen als Sterne schicken. Fehlt nur noch der Hinweis auf den bethlehemitischen Kindermord, um die Szene zu vollenden. (Die Hirten sind übrigens Palästinenser, die Könige aber keine Adligen aus Katar oder Saudi-Arabien.) Bei einem eher äquidistanten Karikaturisten besucht der amerikanische Weihnachtsmann Gaza, aber niemand kann ihn dort empfangen, weil Gaza zerbombt ist.

Auch auf den israelsolidarischen Karikaturen spielt Weihnachten bzw. Santa Claus eine Rolle, nur ist es stimmiger. Hier hat sich im Gefolge eines Weihnachtsmanns, der Geschenke verteilt, ein Hamas-Terrorist eingeschlichen, ein Hinweis auf historische bzw. aktuell angedrohte Attentate auf Weihnachtsmärkte in Europa. Auf einer anderen Karikatur gibt es einen „Clash of cultures“: während der Weihnachtsmann Geschenke bringt, transportiert der Hamas-Terrorist nur Raketen. Mit einer Ausnahme geht es aber bei keiner der Karikaturen um die im Lukasevangelium erzählten Ereignisse. Vielmehr wird der kommerzialisierte Santa Claus als Geschenkebringer aufgegriffen. Warum dieser Geschenke in den Gazastreifen bringen sollte, statt für Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen, erschließt sich nicht. Aber eigentlich geht es ja auch nur darum, den westlichen Adressat:innen  ein schlechtes Gewissen zu machen – ganz egal womit.

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